In Krankenhäusern müssen aufgrund der gestiegenen und weiter steigenden Lebenserwartung zunehmend ältere und demenzkranke Patienten gepflegt werden. Nicht zuletzt aufgrund der verkürzten Liegezeiten in Krankenhäusern müssen Einrichtungen der Altenpflege wiederum zunehmend Leistungen der medizinischen Pflege erbringen. Die geplante Neuregelung soll eine Reaktion darauf seitens der Bundesregierung sein.
Künftig soll nach Meinung der Bundesregierung in einer einheitlichen Pflegeausbildung Kompetenzen für die Pflege von Menschen aller Altersgruppen vermittelt werden.
Außerdem soll durch den Gesetzesentwurf die Attraktivität der Pflegeberufe gesteigert und so etwas gegen den Fachkräftemangel im Bereich der Pflegeberufe getan werden. Infolge des demographischen Wandels wird sich der schon heute bestehende Fachkräftemangel noch weiter verstärken.
Bisher gibt es drei unterschiedliche Ausbildungsgänge für
- die Altenpflege,
- die Gesundheits- und Krankenpflege sowie für
- die Gesundheits- und Kinderkrankenpflege.
Diese Dreigliederung der Pflegeberufe soll durch ein neues Gesetz über den Pflegeberuf (Pflegeberufsgesetz - PflBG) aufgehoben werden. Das PflBG ist der Kern des Pflegeberufereformgesetzes (PflBRefG), das als Artikelgesetz auch andere medizinrechtliche Berufe in einigen Punkten ändert.
Das neue PflBG regelt insbesondere
- die Einführung der neuen einheitlichen Pflegeausbildung
- das Ausbildungsziel und die Ausbildungsinhalte, die Dauer und die Struktur der Ausbildung
- die Voraussetzungen für den Zugang zu der Ausbildung
- die Voraussetzungen für die Finanzierung der Ausbildung
- die Einführung eines berufsqualifizierenden Hochschulstudiums
Das geplante PflBG sieht vor, dass künftig eine dreijährige Ausbildung in Vollzeit oder eine fünfjährige Ausbildung in Teilzeit zur Pflegefachfrau bzw. zum Pflegefachmann absolviert werden muss. Nach § 5 PflBG soll die Ausbildung übergreifende Qualifikationen für die selbstständige, umfassende und prozessorientierte Pflege von Menschen aller Altersstufen vermitteln.
Die neue Pflegeausbildung gliedert sich in theoretischen Unterricht an Pflegeschulen sowie eine praktische Ausbildung. Zur Erlangung der praktischen Qualifikationen sieht das PflBG in seinem § 7 vor, dass der Auszubildende Pflichteinsätze in verschiedenen Einrichtungen ableisten muss, so zum Beispiel in der allgemeinen Langzeitpflege sowie in den speziellen Bereichen der kinder- oder jugendpsychiatrischen Versorgung. Bei der praktischen Ausbildung kann der Auszubildende zudem einen Schwerpunkt wählen, zum Beispiel in der Altenpflege, der im Abschlusszeugnis als "Vertiefungseinsatz" ausgewiesen wird.
In § 11 PflBG werden zudem die Voraussetzungen für den Zugang zu der Ausbildung zur Pflegefachfrau bzw. zum Pflegefachmann geregelt. Danach ist grundsätzlich entweder ein mittlerer Schulabschluss oder ein Hauptschulabschluss zusammen mit weiteren Qualifikationen (bspw. eine mindestens zweijährige Berufsausbildung oder eine einjährige Ausbildung in der Pflegeassistenz) notwendig, um die Ausbildung antreten zu dürfen.
Im dritten Abschnitt des PflBG (§§ 26 - 36 PflGB) wird die Finanzierung der Ausbildung zudem bundeseinheitlich geregelt. Für Auszubildende ist sie künftig kostenfrei. Derzeit fallen demgegenüber für viele Auszubildende an Pflegschulen Gebühren an.
Ergänzend zu der fachberuflichen Pflegeausbildung wird durch das PflGB in den §§ 37 ff. PflGB eine bundesgesetzliche Grundlage für eine primärqualifizierende hochschulische Pflegeausbildung geschaffen. Ähnlich wie die übergreifende Ausbildung soll auch ein mindestens dreijähriges Hochschulstudium auf einen universellen Einsatz in allen allgemeinen Arbeitsfeldern der Pflege vorbereiten und einen Wechsel zwischen den einzelnen Pflegebereichen erleichtern.
Der Deutsche Pflegerat, in dem viele wichtige Pflegeberufsvereinigungen als Mitglieder vertreten sind, bewertet die einheitliche Ausbildung positiv. In seiner Pressemitteilung vom 13.01.2016 stuft es die neue Pflegeausbildung als "eine der wichtigsten Antworten auf den demographischen und epidemiologischen Wandel" ein.
Wie die Entwurfsverfasser ist auch der Pflegerat der Ansicht, dass die zunehmende Lebenserwartung eine Reform der Ausbildung in den Pflegeberufen erforderlich macht. Die richtige Antwort auf diese Herausforderungen ist eine im Prinzip einheitliche bzw. generalistische Pflegeausbildung, so der Pflegerat.
Die geplante Reform sei eine gute Nachricht für alle professionell Pflegenden. Ihre Arbeit werde dadurch aufgewertet. Durch die reformierte Ausbildung erhielten zukünftige Pflegefachpersonen bessere Möglichkeiten, innerhalb ihres Berufsfeldes zu wechseln. Damit verbesserten sich die Aufstiegschancen und die Attraktivität des Pflegeberufs.
Nicht ganz so gut bewertet die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di das Gesetzesvorhaben der Bundesregierung. Bereits im Juli 2015 bzw. im Vorfeld des jetzt offiziell vorgestellten Reformpakets hat ver.di einige Wünsche und Bedenken geäußert, die im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wahrscheinlich noch für Diskussionen sorgen werden.
Nach Ansicht von ver.di ist es zwar sinnvoll, die bisher getrennten drei Ausbildungen näher zusammenzuführen. Da eine Verlängerung der Ausbildungszeit aber nicht geplant ist, befürchtet ver.di Qualitätseinbußen bei der Ausbildung in der Kinderkranken- und Altenpflege.
Als Alternative zu einer einheitlichen Pflegeausbildung befürwortet ver.di die Einführung einer integrierten Ausbildung in der Form, dass nach einem gemeinsamen Start von ein bis zwei Jahren ein Schwerpunkt in der allgemeinen Pflege, der Kinderkrankenpflege oder der Altenpflege gewählt wird. Damit allerdings wäre das Ziel einer einheitlichen Berufsausbildung und Berufsbezeichnung verfehlt.
Der Arbeitgeberverband Pflege schließlich lehnt die geplante Reform rundheraus ab.
Aus seiner Sicht werden die Ausbildungsbetriebe in der Altenpflege künftig mit höheren Kosten und einem Organisationsaufwänden belastet. Mehr noch: Ein Chaos sei vorprogrammiert und die "Versorgungssicherheit der alten Menschen gefährdet".
Die Bedenken des Arbeitgeberverbands Pflege gelten offenbar weniger für die medizinische Pflege in Krankenhäusern als vielmehr für die Altenpflege. Die Altenpflege, so der Arbeitgeberverband Pflege, "droht am Ende zum eindeutigen Verlierer der hektischen Reformpläne der großen Koalition in Berlin zu werden".
Die Kritik an den Reformplänen ist in dem Punkt nachvollziehbar, dass die Inhalte der geplanten einheitlichen Ausbildung, vor allem die Stundenverteilung in der praktischen Ausbildung, derzeit noch gar nicht festliegen, sondern erst in einer speziellen Verordnung geregelt werden sollen. Daher ist noch ziemlich unklar, was in der Ausbildung zur Pflegefachfrau bzw. zum Pflegefachmann eigentlich gelehrt und gelernt werden soll.
Abgesehen davon ist die Weichenstellung aber richtig, denn ein wichtiger Teilaspekt des oft beschworenen Fachkräftemangels in der Pflege sind wenig attraktive Gehälter. Bislang konnten gelernte Altenpfleger nicht zu einer Klinik wechseln, um dort mehr zu verdienen, und genau das soll künftig anders werden. Tarifverträge allein werden die erforderlichen Lohnsteigerungen in den Pflegeberufen nicht bewirken können, d.h. sie werden nur dann Erfolg haben, wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen die berufliche Mobilität der Pflegekräfte verbessern.
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Letzte Überarbeitung: 8. Februar 2017