Begeht der Arzt einen Behandlungsfehler oder Verhaltensfehler hat er neben finanziellen Schadensersatzansprüchen des Patienten auch strafrechtliche Folgen nach dem Strafgesetzbuch (StGB) zu befürchten.
Die strafrechtliche Haftung umfasst nicht die Sanktionen der Ärztekammer nach der Berufsordnung. Dem Arzt drohen also neben der strafrechtlichen Anklage durch die Staatsanwaltschaft sowohl finanzielle Schadensersatzansprüche des Patienten als auch berufsrechtliche Sanktionen sowie der Entzug oder das Ruhen der Approbation.
Bei einem Behandlungsfehler lautet die Anklage zumeist auf fahrlässige Körperverletzung oder fahrlässige Tötung. Der Behandlungsfehler wurde früher auch als "Kunstfehler" bezeichnet. Außerdem kommt unterlassene Hilfeleistung in Betracht (§ 323c StGB), wenn der Arzt nicht alle notwendigen Maßnahmen ergreift.
Außer in den Fällen der Arzthaftung wegen eines Behandlungsfehlers kann ein Arzt natürlich auch wegen anderer Verstöße gegen Verhaltenspflichten strafrechtlich verfolgt werden. Die hier erfolgte Aufzählung möglicher strafrechtlicher Vorwürfe ist nicht abschließend.
Unabhängig von einer Strafbarkeit wegen eines ärztlichen Kunstfehlers kommt eine Strafbarkeit wegen Verletzung der Schweigepflicht (§ 203 StGB) oder unerlaubtem Schwangerschaftsabbruchs (§ 218 StGB) in Betracht.
In Bezug auf seine finanziellen Obliegenheiten gegenüber dem Gesundheitswesen kann der Arzt die Straftatbestände des Abrechnungsbetruges (§ 263 StGB) oder der Untreue (§ 266 StGB) erfüllen. Natürlich kommt auch eine Strafbarkeit bei Steuerhinterziehung nach § 370 Abgabenordnung (AO) in Betracht.
In neuerer Zeit ist außerdem die Diskussion um die Strafbarkeit der Sterbehilfe und der Pränataldiagnostik ins Blickfeld gerückt.
Geringere Bedeutung haben Straftaten wie die unerlaubte Organentnahme oder die klinische Prüfung neuer Arzneimittel am Menschen.
Im Fall des ärztlichen Behandlungsfehlers wird in der Regel der Patient oder sein Anwalt bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft Anzeige erstatten, woraufhin diese das Ermittlungsverfahren gegen den Arzt einleitet. Erst nach Anhörung des Arztes und Abschluss des Ermittlungsverfahrens kann Anklage erhoben werden und eine öffentliche Verhandlung vor dem Strafrichter stattfinden.
Bei allen anderen Verstößen des Arztes sind die Behörden im Allgemeinen dazu verpflichtet Ermittlungen anzustellen, wenn Sie von Ihnen Kenntnis erlangen, im Fall des Abrechnungsbetruges z. B. aufgrund einer Anzeige der Krankenkassen oder eines Pharmaunternehmens. Erst nach Anhörung des Beschuldigten, kann es zur Anklage und öffentlichen Verhandlung kommen. Die Vorwürfe müssen im Einzelfall geprüft werden.
Ohne Anhörung des Arztes kann ein Strafbefehl erlassen werden gegen den innerhalb von zwei Wochen Einspruch eingelegt werden muss.
Die Anklage der Staatsanwaltschaft muss dem beschuldigten Arzt von dem Gericht zugestellt werden. Es folgt die öffentliche Verhandlung vor dem Strafgericht. Am Ende des Verfahrens steht eine Geld- oder Haftstrafe. Im Falle einer Verurteilung muss der Arzt auch mit berufsrechtlichen Sanktionen rechnen (vgl. Berufsrecht).
Rechtlich betrachtet stellt jeder ärztliche Heileingriff (Röntgen, Spritzen, Verordnen von Medikamenten) eine Körperverletzung (§ 223 StGB) dar. Eine Körperverletzung, die mit Einwilligung des Patienten geschieht, ist allerdings straffrei. Der Arzt muss also vor jeder Maßnahme eine Einwilligung des Patienten einholen, wobei eine wirksame Einwilligung eine vorherige Aufklärung voraussetzt (vgl. Aufklärungspflicht).
Der Arzt kann die Körperverletzung auch durch Unterlassen begehen. Das ist dann der Fall, wenn der Arzt eine medizinisch notwendige Maßnahme nicht vornimmt. Dafür muss er allerdings eine Pflicht zum Handeln gehabt haben, die sog. Garantenpflicht. Diese hat er gegenüber jeder Person, deren Behandlung er übernommen hat, unabhängig davon, ob der Behandlungsvertrag rechtlich wirksam ist oder nicht.
In der Praxis haftet der Arzt häufig wegen fahrlässiger Körperverletzung (§ 229 StGB) oder fahrlässiger Tötung (§ 221 StGB). Fahrlässigkeit bedeutet, dass der Arzt die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat. Erforderlich ist die Sorgfalt, die nach dem jeweils aktuellen Stand der Wissenschaft von einem durchschnittlichen Arzt erwartet werden kann. Hierbei gilt der sogenannte Facharztstandard, also der Standard, der von einem Facharzt auf seinem Gebiet zu erwarten ist.
In jedem Fall muss das Verhalten des Arztes, um seine Strafbarkeit zu begründen, ursächlich für die Verletzung des Patienten sein. Das heißt, dass sie ohne das Verhalten des Arztes bzw. bei seinem rechtmäßigen Verhalten nicht eingetreten wäre. Wäre der Patient also ohnehin gestorben, auch wenn der Arzt gar nichts getan hätte oder ihn ordnungsgemäß behandelt hätte, ist der Arzt nicht strafbar, auch wenn er nicht das tat, was er eigentlich hätte tun müssen.
Die unterlassene Hilfeleistung ist in § 323c StGB geregelt. Danach kann sich jemand strafbar machen, der bei Unglücksfällen nicht Hilfe leistet. Ein Unglücksfall ist jedes mit einer gewissen Plötzlichkeit eintretende Ereignis, das eine erhebliche Gefahr bringt oder zu bringen droht. Eine Krankheit ist nur dann ein Unglücksfall in diesem Sinne, wenn sich ihr Verlauf akut verschlimmert oder verändert.
Um sich nicht strafbar zu machen, muss der Arzt alles unternehmen, was aus seiner persönlichen Sicht erforderlich ist. Dabei sind auch seine eigenen schutzwürdigen Interessen zu berücksichtigen. So kann nicht von jedem Arzt bei der Beschreibung eines Herzinfarktes ein sofortiger Hausbesuch erwartet werden, jedoch die Sicherstellung, dass der Patient oder seine Angehörigen einen Notarzt rufen (BGH, Urteil vom 03.04.1985, 2 StR 63/85).
Die Schweigepflicht zählt zu den Berufspflichten des Arztes (vgl. § 9 Musterberufsordnung-Ärzte). Im Prinzip muss der Arzt über sämtliche Informationen, die er über einen Patienten bei der Behandlung erlangt, schweigen. Ausnahmen bestehen, wenn der Patient selbst den Arzt von seiner Schweigepflicht entbindet oder eine sogenannte Offenbarungspflicht greift. Nähere Informationen finden Sie unter den Stichworten Berufsrecht und Schweigepflicht.
Verstößt der Arzt gegen seine Schweigepflicht, ohne das eine Ausnahme vorliegt, kann er sich wegen der Verletzung von Privatgeheimnissen nach § 203 StGB strafbar machen.
Der Betrug ist in § 263 StGB geregelt. Im Bereich der Arzthaftung kommt vor allem der sog. Abrechnungsbetrug in Betracht. Er liegt vor, wenn der Arzt Leistungen abrechnet, die er gar nicht vorgenommen hat oder erbrachten Leistungen einen falschen Gebührensatz zugrunde legt. Vom Abrechnungsbetrug erfasst werden auch Leistungen, die der Arzt abrechnet, obwohl er dazu nicht berechtigt ist.
Rechnet der Arzt mehrfach falsch ab, kann sogar ein besonders schwerer Fall des Abrechnungsbetrugs nach § 263 Abs. 3 Nr. 5 StGB vorliegen. Für diese Fälle hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass eine Geldstrafe nur ausnahmsweise erlassen wird und die Freiheitsstrafe (auf Bewährung) die Regel darstellen soll.
Liegen die Voraussetzungen des Betrugs nicht vor, kommt als „Auffangtatbestand“ auch eine Strafbarkeit des Arztes wegen Untreue nach § 266 StGB in Betracht.
Hinsichtlich der Sterbehilfe ist nach aktiver und passiver Sterbehilfe zu unterscheiden, wobei die aktive wiederum in die direkte und indirekte Sterbehilfe unterteilt wird.
Die aktive, direkte Sterbehilfe, also die zielgerichtete Tötung eines anderen, z.B. durch die Gabe von Medikamenten, gilt in Deutschland als strafbarer Totschlag oder Mord. Straffrei bleibt sie nur, wenn das Medikament, das zuvor von dem Arzt beschafft wurde, von dem Patienten freiwillig selbst eingenommen wird. Nach neuester Rechtsprechung ist ein direkter, auf die Tötung abzielender Eingriff in den Behandlungsablauf aber erlaubt, wenn der Patient zuvor diese Form der Behandlung abgelehnt und in den Behandlungsabbruch eingewilligt hat. Diese Einwilligung kann mündlich oder in einer Patientenverfügung erfolgen (BGH, Urteil vom 25.06.2010, 2 StR 454/09).
Die aktive, indirekte Sterbehilfe bleibt straffrei. Sie liegt vor, wenn dem Patienten schmerzstillende Medikamente gegeben werden, die den Todeseintritt beschleunigen könnten.
Die passive Sterbehilfe (das „Sterbenlassen“) bedeutet die Nichtvornahme oder Reduktion lebensrettender Maßnahmen. Sie ist straffrei und setzt einen unumkehrbaren Krankheitsverlauf, der in relativ kurzer Zeit zum Tode führt, voraus.
§ 218 StGB regelt, dass ein Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich strafbar ist. Dazu zählen gemäß § 218a StGB aber keine Schwangerschaftsabbrüche, die von einem Arzt nach einem Beratungsgespräch mit der Schwangeren maximal 12 Wochen nach der Empfängnis vorgenommen werden.
Ebenfalls straffrei ist ein Schwangerschaftsabbruch nach § 218a Abs. 2 StGB, wenn er medizinisch indiziert ist. Die Rechtssprechung bejaht dies, wenn bei einer Abwägung der Überforderung der Mutter mit dem Kind gegen das Leben des Kindes, das Leben unterliegt. Dies wird in Fällen angenommen, in denen das Kind mutmaßlich so krank wäre, dass die Mutter mit seiner Pflege psychisch und physisch überlastet wäre.
Nach § 218a Abs. 3 StGB ist auch der Abbruch einer Schwangerschaft, die nach ärztlicher Erkenntnis auf einem Sexualdelikt beruht, nicht strafbar.
Die Voraussetzungen für die Strafbarkeit eines Arztes bei der Organentnahme sind in dem Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen und Geweben (Transplantationsgesetz - TPG) geregelt.
Ein Arzt darf nach dem Tod einer Person eine Organentnahme nur durchführen, wenn die Person in die Organentnahme zuvor schriftlich eingewilligt hatte oder der nächste Angehörige der Organentnahme zustimmt, jedoch nur wenn der Spender nicht zu Lebzeiten einer Entnahme ausdrücklich widersprochen hatte.
Die Organentnahme bei Lebenden wird gemäß § 19 TPG mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Bestimmungen des Transplantationsgesetzes nicht eingehalten werden §§ 8 – 8b TPG.
Bis zum Sommer des Jahres 2010 sind Ärzte, Juristen und Politiker davon ausgegangen, dass die Präimplantationsdiagnostik, d.h. die Untersuchung künstlicher befruchteter Eizellen vor der Einpflanzung in die Gebärmutter zur Erzeugung einer Schwangerschaft, gegen das Embryonenschutzgesetz (ESchG) verstoßen würde - genauer gesagt gegen §§ 1, 2 ESchG.
Sie hielten die Präimplantationsdiagnostik daher für verboten. Denn für die Präimplantationsdiagnostik ist die Erzeugung von acht bis neun künstlich befruchteten Eizellen notwendig, die nicht alle in die Gebärmutter eingepflanzt werden sollen, sondern zunächst auf genetische Fehlbildungen untersucht und bei positivem Befund aussortiert werden müssen.
Nunmehr hat der Strafsenat des Bundesgerichtshofes jedoch entschieden, dass das „Stehenlassen“ der Embryonen mit positivem Befund nicht gegen das „Verbot, einen extrakorporal erzeugten menschlichen Embryo zu einem nicht seiner Erhaltung dienenden Zweck zu verwenden“ verstößt. Die Präimplantationsdiagnostik ist jedoch nur straffrei, wenn durch sie schwerwiegende genetische Schäden ausgeschlossen werden sollen. (BGH, Urteil vom 06.07.2010, 5 StR 386/09)
Die Voraussetzungen für eine rechtlich zulässige klinische Prüfung neuer Arzneimittel am Menschen richten sich im Wesentlichen nach §§ 40, 41 Arzneimittelgesetz (AMG). Verstößt ein Arzt gegen diese Vorschriften, macht er sich nach § 96 Nr. 10, 11 AMG strafbar.
Wird ein Mensch durch die ärztlichen Maßnahmen gefährdet, verletzt oder getötet, kann der Arzt darüber hinaus von einem Strafgericht zu einer Geld- oder Freiheitsstrafe wegen Körperverletzung oder Totschlag verurteilt werden.
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Letzte Überarbeitung: 6. Februar 2013