Die Schweigepflicht verpflichtet Ärzte, ihre Helfer und sonstige Angehörige der Heilberufe dazu, alle Informationen, die Sie aufgrund ihres Berufs über eine Person erfahren, für sich zu behalten.
Sie resultiert aus dem verfassungsmäßig geschützten Recht eines jeden auf informationelle Selbstbestimmung. Dieses Recht wurde von dem Bundesverfassungsgericht aus den Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und Art. 2 Abs. 1 GG hergeleitet. Es bezeichnet das Recht, über die Preisgabe und Verwendung von personenbezogenen Daten selbst bestimmen zu dürfen.
Die Schweigepflicht soll in erster Linie das Vertrauensverhältnis des Patienten zum Arzt schützen, damit dieser die Informationen erlangt, die er zur ordnungsgemäßen Ausübung seines Berufs benötigt. Darüber hinaus soll die Schweigepflicht auch das generelle Vertrauen der Allgemeinheit zu Angehörigen der Heilberufe fördern.
(1) Wie oben erläutert, stellt die Schweigepflicht eine Konsequenz aus dem verfassungsmäßg geschützten Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar.
(2) Zudem ist die Schweigepflicht in § 9 der Musterberufsordnung-Ärzte (MBO-Ä) geregelt. Hierbei handelt es sich um eine von der Bundesärztekammer herausgegebene Berufsordnung für Ärzte, die zwar rechtlich nicht bindend ist, aber als Muster für die rechtlich verbindlichen Landesberufsordnungen für Ärzte dient. § 9 Abs. 1 MBO-Ä bestimmt, dass Ärzte über das, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Arzt anvertraut wurde, schweigen müssen.
(3) Darüber hinaus ergibt sich die Schweigepflicht aus den §§ 203 bis 205 Strafgesetzbuch (StGB). Danach wird jemand bestraft, der unbefugt ein fremdes Geheimnis offenbart, das ihm als Arzt, Apotheker oder Angehörigen eines anderen Heilberufs anvertraut wird.
(4) Um sich nicht strafbar zu machen, haben Ärzte nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 Strafprozessordnung (StPO) das Recht, ihre Aussage vor Gericht bzw. den Ermittlungsbehörden zu verweigern.
(5) Zudem ist die Beschlagnahme von ärztlichen Aufzeichnungen nach § 97 Abs. 1 StPO grundsätzlich verboten. Sie ist ausnahmsweise zulässig, wenn der Verdacht auf eine schwere Straftat im Raum steht und keine andere Möglichkeit zur Strafverfolgung besteht.
(6) Auch gemäß § 102 Abs. 1 Nr. 3 c Abgabenordnung haben Ärzte das Recht, gegenüber den Finanzbehörden die Auskunft über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekannt geworden ist, zu verweigern.
Gemäß § 203 StGB gilt die Schweigepflicht zum einen für Ärzte und Apotheker, zum anderen für sonstige Angehörige von Heilberufen, die für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordern.
Mit sonstigen Angehörigen von Heilberufen sind Hebammen, Krankenschwestern, Krankenpfleger, Arzthelferinnen, auszubildende Medizinstudenten sowie Lernschwestern, Psychotherapeuten, medizinische Fachangestellte, Masseure und medizinisch technische Assistenten gemeint.
Es kommt nicht darauf an, ob sie weisungsgebunden sind oder nicht. Nicht umfasst sind das ärztliche Reinigungs- bzw. Wartungspersonal, die Sprechstundenhilfe, die Sekretärin sowie das Verwaltungspersonal im Krankenhaus und Heilpraktiker.
Die ärztliche Schweigepflicht umfasst alles, was der Arzt bzw. die sonst von der Pflicht Betroffenen aufgrund der beruflichen Stellung erfahren (§ 203 Abs. 1 StGB). Sie bezieht sich damit nicht nur auf mündliche, sondern auch auf schriftliche Mitteilungen.
Inhaltlich umfasst sind Untersuchungsbefunde, Röntgenaufnahmen, die Diagnose und Therapie, psychische oder körperliche Auffälligkeiten und Medikamentierungen, aber auch der Name des Patienten, seine berufliche, wirtschaftliche und finanzielle Situation sowie die Tatsache, dass er sich überhaupt in Behandlung begeben hat.
Persönlich umfasst sind natürlich der Patient, aber auch Dritte, sofern der Patient zur Behandlung notwendige Informationen über sie preisgibt, wie z. B., ob ein Familienangehöriger an einer bestimmten Krankheit leidet.
Die ärztliche Schweigepflicht entsteht, sobald der Arzt und der Patient miteinander in Kontakt treten. Dies muss nicht unbedingt in der Arztpraxis oder im Krankenhaus sein, aber der Arzt muss das Geheimnis jedenfalls aufgrund seiner Stellung als Arzt erfahren.
Die Schweigepflicht besteht das ganze Leben des Patienten lang und auch über seinen Tod hinaus (§ 203 Abs. 4 StGB, § 9 Abs. 1 MBO-Ä).
Da das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein sogenanntes höchstpersönliches Recht ist, kann es nicht auf andere übertragen werden. Daraus folgt, dass es auch im Todesfalle des Patienten nicht auf seine Erben übergeht. Allerdings ist der Arzt von seiner Schweigepflicht befreit, wenn er meint, dies würde dem Willen des Patienten entsprechen.
Eine solche mutmaßliche Einwilligung kann z. B. angenommen werden, wenn es den Erben die Geltendmachung von Renten- oder Lebensversicherungsansprüchen ermöglichen könnte.
Die Schweigepflicht gilt übrigens auch, wenn die Behandlung im Strafvollzug erfolgt.
Die Schweigepflicht gilt gegenüber jedem Dritten. Sie gilt damit auch in Bezug auf andere Ärzte, Angehörige des Patienten und Angehörige, auch den Ehepartner, des Arztes selbst. Sie gilt auch gegenüber dem Arbeitgeber.
Die Schweigepflicht gilt nicht, wenn der Patient den Arzt davon befreit. Dies kann zum einen durch eine ausdrücklich erklärte Einwilligung geschehen. In diesem Fall befreit der Patienten den Arzt von der ärztlichen Schweigepflicht.
Der Patient kann seine Einwilligung auch durch schlüssiges Verhalten zum Ausdruck bringen, indem er z. B. einem Angehörigen gestattet, mit in das Behandlungszimmer zu kommen. Selbiges gilt, wenn der Patient keine Einwilligung abgeben kann (weil er bewusstlos oder verstorben ist), sie aber vernünftigerweise seinem Willen entspricht (mutmaßliche Einwilligung).
Die Schweigepflicht gilt unter Ärzten nicht, wenn sie denselben Patienten gleichzeitig oder nacheinander behandeln.
Die Schweigepflicht gilt auch nicht, wenn der Patient die Untersuchung dulden muss, weil sie nach §§ 80 ff. StPO gerichtlich angeordnet wurde.
Darüber hinaus gilt die Schweigepflicht nicht, wenn das Gesetz dem Arzt eine Offenbarungspflicht auferlegt. Dies ist zum einen bei bestimmten Krankheiten bzw. Eingriffen der Fall (§§ 6 ff. Infektionsschutzgesetz und § 7 Transplantationsgesetz). Zum anderen sind Ärzte, die gesetzlich Versicherte behandeln nach den §§ 294 ff. Sozialgesetzbuch V (SGB V) und 100 f. SGB X verpflichtet, den Krankenkassen bestimmte benötigte Auskünfte über die Patienten zu erteilen.
Der Arzt kann unter Umständen erlaubtermaßen die Schweigepflicht verletzen. Er macht sich dann nicht strafbar, obwohl er gegen die Schweigepflicht verstößt. Dies ist der Fall, wenn eine Abwägung zwischen den Interessen des Patienten an der Geheimhaltung seiner Daten einem anderen Interesse unterliegt. Das ist zum Beispiel für die Information einer Ehefrau darüber, dass ihr Mann Aids hat, zu bejahen.
Das Interesse des Staates an der Strafverfolgung berechtigt ausnahmsweise ebenfalls zum Bruch der Schweigepflicht, allerdings nur bei schwersten Verbrechen, z.B. Mord, von denen der Arzt weiß oder die er vermutet. Der Arzt darf dann der Polizei, Staatsanwaltschaft oder dem Richter Auskunft über den Patienten erteilen.
Ja. Der Arzt darf den Eltern gegen den Willen des Minderjährigen (bzw. Jugendlichen) grundsätzlich keine Auskünfte erteilen. Dabei ist aber das Informationsbedürfnis der Eltern gegen den Vertrauensschutz des Minderjährigen abzuwägen, das bedeutet, ausnahmsweise dürfen den Eltern Auskünfte erteilt werden, wenn die Kenntnis zur Durchsetzung ihrer Personensorge unbedingt erforderlich ist. Nähere Informationen finden Sie auch Einwilligungsfähigkeit.
Bei einem Praxisverkauf ist zu beachten, dass die Daten unter Verschluss gehalten werden müssen, bis jeder einzelne Patient seine Einwilligung zur Übergabe der Informationen an den Nachfolger gegeben hat. Näheres erfahren Sie hier.
Nein, nicht ohne weiteres. Privat-, Unfall- oder Lebensversicherungen, die ärztliche Auskünfte über einen bestimmten Patienten verlangen, berufen sich oft auf ein diesbezügliches generelles Einverständnis, was der Patient pauschal mit Abschluss des Versicherungsvertrags abgegeben habe. Insofern ist Vorsicht geboten, da ein solch pauschales Einverständnis laut dem Bundesverfassungsgericht gar nicht wirksam ist. Zu empfehlen ist daher, stets ein schriftliches Einverständnis des Patienten für den konkreten Fall einzuholen.
(1) Der betroffene Patient kann einen Strafantrag stellen. Gemäß § 203 StGB wird ein Verstoß gegen die Schweigepflicht mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder einer Geldstrafe bestraft. Handelt der Täter gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, kann sich die Freiheitsstrafe sogar auf zwei Jahre erhöhen (§ 203 Abs. 5 StGB). Selbiges gilt, wenn er die erlangten Informationen verwertet (§ 204 StGB).
Die Taten werden nur auf Antrag verfolgt (vgl. § 205 StGB), dass heißt die Polizei oder Staatsanwaltschaft darf nicht von sich aus ermitteln.
(2) Der Verstoß gegen die Berufsordnung (vgl. § 9 MBO-Ä) kann zu berufsrechtlichen Sanktionen führen. Diese sind z.B. eine Warnung, ein Verweis, die Auferlegung einer Geldbuße bis zu 50.000 Euro. Näheres siehe unter Berufsrecht der Ärzte.
(3) Der betroffene Patient kann außerdem den Ersatz finanzieller Schäden verlangen, insbesondere Einkommenseinbußen, Verlust des Arbeitsplatzes oder der Wohnung und Scheidungsfolgelasten, wenn durch die ärztliche Indiskretion die Ehe zerbricht.
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Letzte Überarbeitung: 13. Juli 2012